Musik täglich, Bewegung stündlich - Die Welt 20.5.06
Unternehmer unterstützten die zukünftigen Club of Rome-Schulen finanziell, materiell und moralisch.
von Deike Uhtenwoldt in "Die Welt" 20.5.06

Als der Konstrukteur Gerhard Hettinger vor rund 40 Jahren bei der Firma Christian Bürkert in Ingelfingen ins Berufsleben startete, schickte ihn sein damaliger Chef und Mentor erst einmal vom ländlichen Baden-Württemberg zum Fachhochschulstudium nach Berlin und den fertigen Elektrotechniker in die unterschiedlichsten Abteilungen, auch ins Ausland: "Ich bin alle vier Wochen in neuen Fahrwassern geschwommen." Meistens obenauf, und wenn nicht, hat der Mentor nachgeholfen. Bis dieser 1971 tödlich verunglückte. Da war Gerhard Hettinger 31 Jahre jung und übernahm die Geschäftsführung über 1200 Mitarbeiter. Heute sind es 2000 in 40 Niederlassungen weltweit. "Wir lernen weniger an der Tafel als in der Praxis." Es ist diese frühe Lebenserfahrung, die den Unternehmer nie mehr losgelassen hat. Und die er an die Schulen von heute weitergeben will: Für die Mittelstandsinitiative "Innovationsregion Kocher&Jagst", schickt er Auszubildende in schulische Lehrwerkstätten. "Gleichaltrige Moderatoren können Hauptschülern komplexe technische Themen auf einfache Art beibringen", so sein Fazit.


Daß Bildung die Jugendlichen dazu befähigen muß, Verantwortung zu übernehmen und Entwicklungen zu beeinflussen ist auch eine Leitidee der internationalen Denkfabrik "Club of Rome". Der deutsche Zweig hat sich dem Thema "Exzellenz in Bildung und Ausbildung" verschrieben. Den Anstoß gab nicht etwa die Pisa-Studie, sondern ein 15 Jahre alter Lernbericht: "Unser heutiges Schulsystem ist eine Erfindung aus dem 18. Jahrhundert", betont Axel Beyer, Geschäftsführer der Club of Rome-Schulen Deutschland. "Wie soll sie da Kompetenzen vermitteln, die für die Lösung der Probleme in 20 oder 50 Jahren vonnöten sein werden?" Wie Schule sich verändern muß, um zukunftsfähig zu bleiben, ist die Leitfrage unter der sich 20 bundesdeutsche Schulen zu einem Netzwerk zusammengetan haben. Darunter ist die Großstadt-Gesamtschule mit über 100 Lehrern ebenso wie das internationale Ganztagsgymnasium in freier Trägerschaft oder die auf Hochbegabung ausgerichtete christliche Grundschule. Was die "Club of Rome-Schulen in Gründung" eint, ist die besondere Prägung und die Bereitschaft zur Innovation, die sie nach einem individuellen Entwicklungskonzept immer weiter vorantreiben, um in vier Jahren die Lizenzprüfung zur "Club of Rome-Schule" abzulegen. Doch der Weg dahin ist mühsam, das Konzept ehrgeizig: Demokratie und Empathie, Berufsorientierung und Lernpartnerschaft, Musik täglich und Bewegung stündlich sind die Schlagworte. "Am Ende steht eine andere Schule", betont Projektleiter Beyer, "in der ständig gelernt statt gelehrt wird."


Das geht nicht von heute auf morgen und schon gar nicht allein: Das Lehrerkollegium gegen den Rest der Welt, daran seien die Bildungsreformer der 70er Jahre letztendlich gescheitert, so der ehemalige Gymnasiallehrer Beyer. Daher hat der Club of Rome den Netzwerk-Schulen die Gründung eines regionalen Förder- und Entwicklungskreises zur Auflage gemacht: Wirtschaft, Hochschulen und öffentlichen Institutionen sind nicht nur als finanzielle Helfer, sondern vor allem als Impulsgeber und Lernberater gefragt.


Gerhard Hettinger ist Mitglied im Beirat der Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule in Neuenstein. Dort befindet er sich in illustrer Gesellschaft: Die Bürgermeisterin ist ebenso vertreten wie der örtliche Fürst und Kreistagvertreter. Stadträte und Geschäftsführer zu gewinnen, sei kein Problem gewesen, berichtet Schulleiter Matthias Wagner-Uhl. "Der Name Club of Rome öffnet viele Türen." Die renommierte Dachmarke zu erwerben und gleichzeitig mit 19 weiteren, innovativen Schulen in Austausch zu treten, sei ein starker Antrieb für die Bewerbung gewesen. "Auch wenn das für die Lehrer Mehrarbeit bedeutet, es haben alle hundertprozentig dafür gestimmt." Schließlich mußte die Schule nicht bei Null anfangen: "Wir sind schon lange innovativ." So beim Thema Berufsorientierung: schon die Dritt- und Viertkläßler besuchen in den Ferien Betriebe, pflanzen mit dem Gärtner und fragen den Schornsteinfeger Löcher in den Bauch. "Wir müssen uns jetzt die Handwerker von morgen heranziehen, sonst gibt es in 10 Jahren keine Auszubildenden mehr", so Beirat Hettinger.

Das war auch die Motivation der Mittelstandsvereinigung Halberstadt, sich für das örtliche Käthe Kollwitz Gymnasium, eine der 20 "Club of Rome-Schule in Gründung" stark zu machen. "Wir bringen den Schülern Praxis nahe", betont Beiratmitglied Christian Hamann. Durch Vorträge und zahlreiche Praktikumsplätze "in der Chefetage". Der Baumarkt-Geschäftsführer mit 50 Mitarbeitern und fünf Auszubildenden weiß, daß die beste Schule vor Ort ein Ansiedlungsgrund und damit seine Zukunftssicherung ist: "Wirtschaft in der Region voranzubringen heißt auch, junge gut ausgebildete Menschen zu fördern."
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